Wenn etwa Friedrich Merz mit Blick auf die AfD jüngst meinte, sie wäre keine „Alternative für Deutschland“, sondern sei vielmehr eine Partei für ein anderes Deutschland, so darf man sich wünschen, er hätte damit recht, muß aber befürchten, daß er die AfD vielleicht überschätzt.
So, wie es jetzt aussieht, und zwar nicht nur im „Stadtbild“, bräuchte es tatsächlich ein anderes Deutschland. Unser Deutschland – mit Blick auf unser Volk und sein so reiches wie schicksalsschweres Erbe – ist dieses Deutschland schon lange nicht mehr, weder für Ost noch West. Sollte man sich gar an den Gedanken gewöhnen, daß es unwiederbringlich verloren ist?
Im Hintergrund bliebe immerhin zu fragen: Ist auf ein anderes Deutschland zu hoffen – oder wäre das eher zu fürchten? Wir hören, daß nur die Berliner Republik in derzeitiger Gestalt akzeptabel ist; alles andere wäre kreuzgefährlich, ja geradezu hakenkreuzgefährlich.
Also Statik statt Dynamik und als Argumentationshilfe die fragwürdigste These der Soziologie der letzten Jahre, es gäbe doch überhaupt keine gesellschaftliche Polarisierung. Offenbar doch! Und genau diese Spannung treibt ja Veränderungsprozesse an, hierzulande wie anderswo.
Ob die AfD aber tatsächlich für ein anderes Deutschland steht oder ob sie meint, innerhalb des jetzigen wären nur ein paar Akzente und vor allem die parlamentarische Sitzordnung zu ändern, erscheint fraglich. Die Demokratie in bisheriger Gestalt lädt eher zum Besetzen von wohldotierten Versorgungsposten als zu echter Auseinandersetzung mit dem Ziel wesentlicher Veränderungen ein.
So weit, wie die Veränderungen seit spätestens 2015 gekommen sind, unter Verantwortung ja insbesondere der CDU, erscheint es zudem immer unwahrscheinlicher, ob und inwieweit sich die schwierigsten zu klärenden Umstände überhaupt noch im Zuge der „prozeduralen Prozesse“ der Demokratie und innerhalb bestehenden Rechts korrigieren lassen. Diese problematischen Umstände scheinen irreversibel erstarrt.
Mag gut sein, es geht mittlerweile objektiv gar nicht mehr um evolutionär zu betreibende Reformen, die im Widerstreit der Kräfte irgendwann mal mehr oder weniger friedvoll-kooperativ glücken mögen oder eben nicht, sondern dringlich um prinzipielle Korrekturen von Staat und Recht, mithin um Machtpolitik im Sinne machtpolitischer Klärung der Verhältnisse.
Erweislich scheint bislang nur, daß die Demokratie der Berliner Republik diese Veränderungen nicht zu leisten vermag. Spürbar verschleißt sich das schwarz-rote Krisenbündnis von Stagnateuren gerade genau daran – migrationspolitisch ebenso wie im Ökonomischen, in der Finanzpolitik und damit auch im Sozialen. Nichts da mit Blut, Schweiß und Tränen.
Wie enorm die Realitätsverweigerung auch in den Ländern ist, offenbart eine aktuelle Pressemitteilung des Finanzministers des heillos überschuldeten Landes Mecklenburg-Vorpommern, das auf Kosten anderer Bundesländer lebt, ein jährliches Defizit von einer Milliarde Euro anhäuft und nur mit einem phantastischen Wirtschaftswachstum aus seiner Misere käme, auf das nicht ansatzweise zu hoffen ist. Vor diesem Hintergrund erdreistet sich der zuständige Minister zu verlautbaren:
Alle zentralen Kennziffern liegen klar in den vorgegebenen Schwellenwerten des Stabilitätsrates. Eine drohende Haushaltsnotlage ist nicht erkennbar. Mecklenburg-Vorpommern hält zudem die Schuldenbremse gemäß Artikel 65 der Landesverfassung vollumfänglich ein.
“Trotz der enormen finanziellen Herausforderungen bleibt unser Land für die Zukunft finanziell solide aufgestellt. Der Stabilitätsbericht belegt, daß die Sparmaßnahmen und der Abbau von Schulden durch das Land zur Stabilität beitragen”, betont Finanz- und Digitalisierungsminister Dr. Heiko Geue.
Der Stabilitätsbericht weist für den gesamten Berichtszeitraum keine Auffälligkeiten auf.
Solide aufgestellt? Keine Auffälligkeiten? Wenn nach Auffassung des eigenen Landesrechnungshofes ab 2028 die laufenden Einnahmen nicht mehr zur Deckung der Ausgaben reichen und ein „Handlungsbedarf“ von rund 1,1 Milliarden Euro pro Jahr besteht?
Die Personalausgaben 2027 betragen in Mecklenburg-Vorpommern über drei Milliarden Euro jährlich, mit einer Quote von 26,6 Prozent. Die Altersstruktur erhöht die Beihilfe- und Versorgungskosten. So summieren sich die Sozialausgaben, bei beständig sinkender Investitionsquote, bis 2030 auf etwa ein Viertel der Gesamtausgaben. Sozial- und Eingliederungshilfe belaufen sich 2026 auf 736 Millionen, 2027 werden es 809 Millionen Euro sein.
Zudem leistet sich das finanzschwache Land ein luxuriösen Kinderförderungsgesetz von über 580 Millionen Euro jährlich, wobei die Eltern durch die rot-rote Regierung von allen Kita-Kosten befreit sind, die Kommunen aber, wiederum genau deswegen, vor der Pleite stehen. Keine Rettung in Sicht!
Zum politischen Softwareschaden kam also längst ein wirtschaftlich-finanzieller Hardwareschaden, aber es bleibt beim Moralspektakel und faden Phrasen, weshalb zu fragen wäre, ob, da es demokratisch statt Neuregelungen nur Stillstand gibt, nicht „illiberal“ in Richtung klareren Dezisionismus umzuschalten wäre.
Von etwas anderem als „Demokratie“ und „Vielfalt“ darf in unserem Lande zwar nicht mehr straffrei die Rede sein, aber dennoch drängt sich die Frage auf, was sich innerhalb dieser „Grundvereinbarungen“ und mit weiterer Dämonisierung der AfD überhaupt noch bewegen läßt?
Die „Demokratie“ will ja offenbar weiterhin in Kauf nehmen, daß die zahlreiche Wähler- und Anhängerschaft der AfD sowie mehr noch die Opposition von rechts dämonisiert und ausgeschlossen bleiben. Aber selbst wenn prinzipielle Fragen im politischen Restdiskurs tabuisiert sind, stellen sie sich im realen Leben doch mit wachsender Dringlichkeit und werden gerade nicht von bloßen Beschwörungsformeln geklärt. Banal: Die Gesellschaft heilt nicht spontan, und kritische Gedanken schweigen nicht einfach kraft Verbots.
Die Linke als nicht nur angepaßter, sondern eher hegemonialer Teil des Führungsestablishments der Republik und in Bremen sowie Mecklenburg-Vorpommern direkt mitregierend, kommt zwar nicht von Carl Schmitt, wohl aber von Wladimir Iljitsch Lenin her und weiß mit dessen Staat und Revolution (1917) um radikale Möglichkeiten:
Alle früheren Revolutionen haben die Staatsmaschinerie vervollkommnet, aber man muß sie zerschlagen, zerbrechen. (…) Der Marxsche Gedanke besteht gerade darin, daß die Arbeiterklasse ‚die fertige Staatsmaschine‘ zerschlagen, zerbrechen muss und sich nicht einfach auf ihre Besitzergreifung beschränken darf.
Mehr als die „Arbeiterklasse“ war von der radikalen Linken immer ihre eigene Partei, ihr schlagkräftiges Instrument gemeint, als „Partei neuen Typs“. Heute gleichfalls ein Tabu-Thema, insofern es undemokratisch verfaßte, also effizient handelnde Kaderparteien nicht geben darf.
Will sagen: Die Linke verstand sich eindrucksvoll auf die Ergreifung von Macht innerhalb eines bürgerlich-liberalen oder demokratischen Staatswesens. Nur war dieser Zugriff im Nachwendedeutschland gar nicht nötig, insofern nicht nur das gegenwärtige Deutschland, sondern schon die Alt-BRD ab 1968 im Zuge eines fulminanten Wandlungsprozesses eigendynamisch nach links gedriftet war und sich die grüne, rote und neuerdings woke Linke, stets mit bürgerlichem Lifestyle, auf völlig demokratischem Wege längst kooptiert fand und so die Geschicke des Landes ganz maßgeblich bestimmt – am eindeutigsten direkt die Bildungspolitik.
Dort übrigens mit dem Nebeneffekt, daß bereits die dritte Generation immer unzureichender auf demokratische Grundbefähigungen vorbereitet ist, schon allein wegen der schulisch bedingten Defizite im sinnentnehmenden Lesen und argumentativen Schreiben, ganz zu schweigen vom Mathematischen, mit dem sich mindestens das Abstraktionsvermögen und sachliche Problemlösungen üben. Apropos: Der Unterschied zwischen Zinskosten und Tilgung scheint ja nicht mal mehr Finanzminister zu interessieren.
Einer rechten Opposition wird eine demokratische Korrektur der durchweg eingeübten Linksdrehung kaum gelingen, eben weil sämtliche Parteien links der AfD bereits so linksgewendet wie staatsbestimmend sind. Klar, auch die CDU. Selbst die Kirchen doch: die EKD sogar soweit, daß sie sich als eine Art Filiale der Bundeszentrale für politische Bildung begreift und dezidiert linke Propaganda betreibt.
Was aber lehrt das? Daß die Rechte und die AfD sich mindestens keinerlei Illusionen hingeben sollten, sie könnten innerhalb der Demokratie – so, wie sie gegenwärtig verfaßt ist – auch nur irgendwas in ihrem Sinne bewegen.
Letztlich: Gibt es denn überhaupt rechte Kräfte, die über Artikulationsversuche und Selbstvergewisserungen hinaus in der Lage sind, mutvoll riskant durchgreifendere Veränderungen anzugehen?
Oder hofft nicht mindestens die AfD (wiederum im Zuge der prozeduralen Prozesse des Demokratischen) ganz zahm und domestiziert in die Exekutive hineinzuwachsen, überaus dankbar dafür, wenn ihr CDU-Granden doch mal endlich die Hände schütteln mögen, vielleicht in Ergebnis von Koalitionsverhandlungen in der ostdeutschen Provinz?
Die linke „Frankfurter Rundschau“ warnte am 21. Oktober:
Die deutsche Politik würde sich fatal verändern, wenn die AfD mitregieren könnte.
Wäre dem tatsächlich so? Unterm Stichwort „Stadtbild“ weitergeblättert zur „Stuttgarter Zeitung”:
Worauf der Kanzler offenkundig anspielen wollte, sind Zonen der Unsicherheit, in denen sexuelle Übergriffe und Delikte der Straßenkriminalität überhand nehmen. Unter den einschlägig Tatverdächtigen sind Migranten mancher Herkunftsländer weitaus häufiger vertreten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entsprechen würde. Es ist keineswegs rassistisch, das zu benennen, wie Merz vorgeworfen wurde. Es wäre vielmehr ignorant und fahrlässig, davor die Augen zu verschließen.
Nur reicht eben das Benennen nicht. Und es fehlt an Handhabe.
Zurück zur AfD: Ordnungsrufe zu kassieren stellt noch keinen Akt des schöpferischen Widerstandes dar. Und Masse steigert nicht unbedingt Klasse. Wenn man sich zudem gezwungen sieht, nicht nur um Hinz, sondern auch noch um Kunz zu werben, um mit wachsender Mitgliederzahl zu mehr Mitgliedsbeiträgen zu kommen, mag das mit der Verbreiterung des Stromes zu seiner Verwässerung führen.
Aber die Eliten, die Leistungs- und Entscheidungsträger stehen, ihr Karriereende fürchtend, nun mal nicht bei der AfD Schlange. Viele aber von denen, die man heuern konnte, würden selbst kaum verkraften, was die Partei der Gesellschaft schon heute zuzumuten hätte.
Es sei die These gewagt, daß die AfD, so sie tatsächlich an exekutive, also Entscheidungsfunktionen gelangte, nur in dem Maße erfolgreich wäre, wie sie bestehende Machtstrukturen umzubauen und Rechtsverhältnisse zu verändern verstünde.
Und: Selbst wenn sie derzeit in Deutschland irgendwo Entscheidungen treffen könnte, würde sie erleben, daß sie einen maroden Betrieb zu sanieren hat und daher der Belegschaft sehr, sehr unliebsame Veränderungen verkünden müßte, die vielfach überhaupt nicht deren Beifall fänden.
Mitleser2
Das schreibe ich schon seit langem, was Bosselmann am Schluß artikuliert. Die notwendigen "Maßnahmen" wären in einem sog. "demokratischen" System zwar möglich, würden aber exakt zu einem massiven Rückschlag bei der nächsten Wahl führen. Das System ist praktisch nicht mehr reformierbar, weil zu viele finanzielle Stellschrauben nicht mehr weiter verschärft werden können. Auch wenn man es schaffen würde, Deutsche zu bevorzugen. Was gegenüber nicht-Passdeutschen natürlich möglich sein müsste. Aber eben nur mit begrenzter Wirkung. Und auch der (N)GO Sumpf etc. macht das Kraut nicht fett. Lösung: fehlt mir derzeit.